Augen auf im Einstellungsverfahren

– Bewerber*innen mit Handicap verdienen Aufmerksamkeit –

Menschen mit Behinderung, Menschen mit anderer Hautfarbe oder anderem Geschlecht – wir streben nach einer Gesellschaft, in der das keine Rolle spielt. Jedem Menschen gleich vorurteilsfrei zu begegnen ist eine Aufgabe, für die der öffentliche Dienst Vorbild sein muss. Deshalb treffen ihn auch besondere, gesetzliche Pflichten.

Da ist es besonders bedauerlich und manchmal sicher auch ärgerlich, wenn diese Pflichten missbräuchlich ausgenutzt werden sollten. Leider ist das mitunter der Fall. Zwei Urteile des Landesarbeitsgerichts (LAG) Mecklenburg-Vorpommern stellen das Thema gerade in den Vordergrund:

Schwerbehinderte Menschen müssen grundsätzlich immer zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden

Diese in § 165 SGB IX definierte Pflicht gilt auch dann, wenn die Eignung des oder der Bewerber*in zweifelhaft ist – die persönliche Vorstellung soll Gelegenheit geben, diese Zweifel auszuräumen. Von einer Einladung darf nur abgesehen werden, wenn die Eignung der Person „offensichtlich fehlt“ also zweifelsfrei feststeht, dass er oder sie sie nicht besitzt.

Wer ist „offensichtlich“ nicht geeignet?

Zweifel an der fachlichen Eignung eines oder einer Bewerber*in rechtfertigen es noch nicht, die Person nicht zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen sondern nur die offensichtliche Nicht-Eignung. „Offensichtlich“ fachlich nicht geeignet ist, wer unzweifelhaft nicht dem Anforderungsprofil der zu vergebenden Stelle entspricht (LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 07.01.2020, Az. 5 Sa 128/19).

In dem entschiedenen Fall hatte die Dienststelle eine Betriebsleitungs-Position ausgeschrieben und ein abgeschlossenes Studium (FH/Bachelor oder Master) in der Fachrichtung Betriebswirtschaft, Tourismus, Marketing oder Kommunikation bzw. einen vergleichbaren Abschluss gefordert. An diesen Text ist sie bei Auswahl der Bewerber*innen für Vorstellungstermine gebunden. Das Gericht entschied, dass die Studienabschlüsse „Diplom-Verwaltungswirt (FH)“ und „Master ob Public Administration“ angesichts dieses Textes einen Bewerber nicht als offensichtlich ungeeignet qualifizieren. Er hätte, da schwerbehindert, die Gelegenheit zur Vorstellung erhalten müssen.

Beweislast für die Einladung zum Vorstellungsgespräch

Für die Einladung ist keine besondere Form vorgeschrieben. Sie kann mündlich, durch gewöhnlichen Brief, E-Mail oder sonst wie bekannt gegeben werden.

Behauptet der oder die Bewerber*in, keine Einladung erhalten zu haben, trifft die Dienststelle im Ergebnis eine Darlegungslast. In dem entschiedenen Fall (LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 07.01.2020, Az. 5 Sa 95/19) hat die Dienststelle dies erfolgreich getan: eine Abschrift der Einladung war zu den Akten genommen, bei dem Vorstellungstermin war der Termin freigehalten worden und die Namen und Funktionen der an dem Verfahren beteiligten Personen wurden genannt und sie hätten als Zeugen für den ordnungsgemäßen Verwaltungsablauf bereit gestanden (worauf der Kläger dann verzichtete). Damit hatte sie nach Auffassung des Gerichts die Sachlage ausreichend – und im Ergebnis zugunsten der beklagten Dienststelle – glaubhaft gemacht.

So genannte „AGG-Hopper“

Das Thema steht auch deshalb stark im Fokus der Aufmerksamkeit, weil Rechtsverstöße an dieser Stelle Schadenersatzpflichten auslösen können. Es sind Fälle bekannt, in denen Menschen sich nur deshalb auf Stellen bewerben, um nach tatsächlichen oder behaupteten Verfahrensfehlern diesen Schadenersatz einzuklagen. Diesen Umstand zu beklagen bringt uns nicht weiter. Zwar ist das missbräuchliche Ausüben eigener Rechte in unserem Rechtssystem gar nicht erlaubt, aber entschieden wurde auch, dass auf einen Rechtsmissbrauch nicht bereits daraus geschlossen werden, dass eine Person eine Vielzahl erfolgloser Bewerbungen versandt und mehrere Entschädigungsprozesse geführt hat oder führt.

Konstruktiv ist nur ein sorgfältiges, vorheriges Überlegen der gewünschten Eignung im Bewerbungsverfahren und die Beachtung der gesetzlichen Pflichten gegenüber den Bewerber*innen.

Sprechen Sie uns an, wir beraten Sie gern.

Herr Frank Boffer
Geschäftsführer – Personalauswahl, Assessment Center
E-Mail: f.boffer@nsi-consult.com
Mobil: +49 171 5542859

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